Rezension: Franz Volhard „Bauen mit Leichtlehm“
Bautradition für die Zukunft
Franz Volhard ist Architekt und Autor vieler Publikationen zum Thema Bauen mit Lehm. Seine Schwerpunkte sind Lehmbaustoffe im Holzbau, vor allem Leichtlehm. Lehm ergänzt und verbessert die Qualitäten des ökologischen Holzbaus. Volhard setzt nachhaltige Lehmbaustoffe in moderner Architektur mit minimalistischer Ästhetik ebenso ein, wie bei detailgetreuen Sanierungen. Für beide Fälle hat er vom Bestand gelernt. So hat er etwa die Lehmausfachungen und -putze des Gotischen Hauses Römer in Limburg systematisch untersucht. Dessen Strohlehmgefache wurden vom 13. bis zum 18. Jahrhundert erstellt. Volhard analysierte alle Einzelmerkmale wie Raumgewicht, Strohanteil, Auftragstechnik, Haftung, beurteilte ihre Qualität und bezog die Ergebnisse aufeinander. Mit diesen Erkenntnissen entwickelt er historische Lehmbautechniken weiter. Schon 1983 hat er sein Buch Leichtlehmbau veröffentlicht – nicht zuletzt als Anleitung zum Selbstbau. Damals leitete es noch ein wunderbares Vorwort des Bauhistorikers Manfred Speidel ein. In 30 Jahren und einigen Überarbeitungen ist das Vorwort mit ästhetischem Schwerpunkt leider ersetzt worden. Ansonsten ist das Werk qualitativ immer besser geworden.
Ästhetisches Werk
Schon die Inhaltsangabe der aktuellen, siebten Auflage ist außerordentlich gut gegliedert. Das Buch ist knapp aber gründlich in der Historie, umfangreich und erfüllend bei der praktischen Anwendung von Leichtlehm. Mineralische Leichtlehme werden nur kurz angeschnitten. Franz Volhard steht eben für die Kombination von Lehm mit den organischen, nachwachsenden Baustoffen Stroh und Holz. Schon historisch sind mit ihnen die konstruktiven Varianten unerschöpflich. Auch Egon Eiermann baute 1946 mit Innenwänden aus Lehmsteinen. Ästhetisch ist das Buch höchst geordnet. Sein Layout ist ruhig und übersichtlich. Inhalt und Form führen einen Dialog miteinander. Dabei ist es reich bebildert. Seine Bilder, Grafiken und Tabellen ergänzen mehr als tausend Worte. Dennoch ist es kein Bilderbuch wie so manches Architekturbuch mit keimfrei reduzierten Ikonen – großformatige Augenweiden auf denen nicht viel zu ernten ist, außer eine retinale Ordnung. Volhards Werk gibt die Realität einer handwerklichen Baustelle exakt wieder: wie eine Lehmschlämme mit fettem Lehm aussieht, die unterschiedlichen Mischmethoden und -orte oder wundervolle Objekte aus Leichtlehm knapp zusammengefasst. Er stellt Siedlung, Schule, Kirche, Kindergarten und vor allem Wohnbauten vor. Sie stammen aus allen Erdteilen und Klimazonen. Nicht nur hier zeigen sich seine guten Verbindungen zu anderen Kämpfern des ökologischen Bauens mit Lehm, etwa zum französischen Lehmbauzentrum CRAterre. Auch Kosten und Zeiten sind angeführt – etwa für einen Lehmputz oder für den Trockenbau.
Wichtige Neuerungen
Der Umfang wuchs von 200 auf 300 Seiten, von 282 Abbildungen auf 386. Ein neues Kapitel beschreibt Wände im freien Auftrag. Diese Technik setzte Volhard auch bei seinem jüngsten Neubauprojekt ein, einem Wohnhaus mit wärmespeichernder Lehmschale. Grundlagen wie Lehm und Lehmprüfung wurden erweitert, bspw. um neue Geräte. So wurden die Kapitel noch praxisnaher. Ergänzend zur neuen DIN18945 Lehmsteine merkt Volhard an, dass faserverstärkte Leichtlehmsteine eine höhere Festigkeit und bessere Feuchteresistenz aufweisen als rein mineralische.
Schwerpunkt Bauphysik
Einer der vielen Schwerpunkte des Buches ist die Bauphysik. Entgegen vieler aktueller Publikationen stellt Volhard die entfeuchtende Wirkung von Lehm und den Schutz der Konstruktion in den Vordergrund. Einmalig gründlich vergleicht er die Sorptionsfähigkeit von Lehm mit der anderer offenporiger, kapillaraktiver Baustoffe und relativiert einige kursierende Versprechungen zu der einmaligen Sorptionsfähigkeit von Lehmbaustoffen. Er weist auch darauf hin, dass feucht eingebauter Leichtlehm unter ungünstigen Umständen kompostieren kann. Deshalb warnt er deutlich vor zu ehrgeizigen U-Werten, zu dicken Wänden und der Verwendung von zu magerem Lehm. Um sehr magere Lehme zu differenzieren und z.B. die Bindemittelqualität eines Lehmputzes zu analysieren, schlägt er neu eine Prüfung der Feinkornbindekraft vor. Er bespricht Brandverhalten, Schallschutz und Dichtigkeit. Er zeigt die guten Eigenschaften bei Wärmedämpfung und -speicherung. Da die EnEV in Deutschland immer bessere Dämmwerte verlangt, ist Volhard nicht erst mit seinem jüngsten Projekt zu einer separaten Innendämmung übergegangen. Auch das Dach wird hier ausschließlich durch Zellulose gedämmt. Um zum Nachdenken anzuregen, stellt er auch alternative Lösungen vor, wie Dachdämmungen mit Leichtlehm.
Raumvielfalt
Volhard setzt alle seine Kenntnisse in Architektur um. Er ist Architekt und als, Lehmbauer der ersten Stunde vor allem ein Praktiker des Bauens. Im Buch zeigt er das mit seinen seit 1983 realisierten wohnlichen Leichtlehmprojekten im Neu- und Altbau. Zusammen mit seiner Partnerin Ute Schauer entwickelt er darin räumliche und baustoffliche Vielfalt weiter. Zuletzt baute er den Prototyp eines Wohnhauses mit einer wärmespeichernden Lehmschale. Es ist beispielhaft nachhaltig, zukunftsfähig und nicht zuletzt modern. Seine nüchterne Architektursprache ist durch eine warme, wohnliche Fassadenfarbe belebt. Die Sonnenwärme speichernde äußere Schale ist Ausdruck bauphysikalischer Erkenntnis: Nur eine immer wieder schnell trocknende Fassade bleibt eine schöne Fassade. Thermische Gestaltung ist ein hochbrisantes Thema, nicht zuletzt durch unsere momentane WDVS-Schwemme. Es ist dem Architekturbüro zu wünschen, dass seine Ideen auch in größeren Maßstäben realisiert werden.
Nüchterne Bestandsaufnahme
Wer schnell noch mehr zu dem Buch wissen möchte, sei auf die fundierte Rezension von Prof. Dr.-Ing. Jörg Schulze verwiesen. Sein Fazit: „Eine nüchterne Bestandsaufnahme des heutigen Wissens, die vor allem durch ihre Klarheit und Vollständigkeit überzeugt. … Eine bessere Darstellung ist auf dem deutschen Buchmarkt nicht zu finden.“ Schulzes Text reißt auch die Entwicklung des Lehmbaus und der Normen in Deutschland an. Ein Feld auf dem sich Franz Volhard ebenfalls sehr engagiert hat. Die Rezension ist auch auf der schönen und übersichtlichen Internetseite des Büros Schauer-Volhard zu finden. Sie wirbt zu Recht für das Buch, das ein Standardwerk der Lehmarchitektur ist, das nicht nur bei ökologischen Architekten, sondern auch bei Handwerkern und in Bibliotheken für Selbstbauer als fundamentales Nachschlagewerk im Regal stehen sollte.
Bauen mit Leichtlehm
Handbuch für das Bauen mit Holz und Lehm
7., neu bearbeitete und ergänzte Auflage
Springer Verlag Wien/New York 2013, 311 Seiten, 48,59 €
Rezension: Franz Volhard „Bauen mit Leichtlehm“
Bautradition für die Zukunft
Franz Volhard ist Architekt und Autor vieler Publikationen zum Thema Bauen mit Lehm. Seine Schwerpunkte sind Lehmbaustoffe im Holzbau, vor allem Leichtlehm. Lehm ergänzt und verbessert die Qualitäten des ökologischen Holzbaus. Volhard setzt nachhaltige Lehmbaustoffe in moderner Architektur mit minimalistischer Ästhetik ebenso ein, wie bei detailgetreuen Sanierungen. Für beide Fälle hat er vom Bestand gelernt. So hat er etwa die Lehmausfachungen und -putze des Gotischen Hauses Römer in Limburg systematisch untersucht. Dessen Strohlehmgefache wurden vom 13. bis zum 18. Jahrhundert erstellt. Volhard analysierte alle Einzelmerkmale wie Raumgewicht, Strohanteil, Auftragstechnik, Haftung, beurteilte ihre Qualität und bezog die Ergebnisse aufeinander. Mit diesen Erkenntnissen entwickelt er historische Lehmbautechniken weiter. Schon 1983 hat er sein Buch Leichtlehmbau veröffentlicht – nicht zuletzt als Anleitung zum Selbstbau. Damals leitete es noch ein wunderbares Vorwort des Bauhistorikers Manfred Speidel ein. In 30 Jahren und einigen Überarbeitungen ist das Vorwort mit ästhetischem Schwerpunkt leider ersetzt worden. Ansonsten ist das Werk qualitativ immer besser geworden.
Ästhetisches Werk
Schon die Inhaltsangabe der aktuellen, siebten Auflage ist außerordentlich gut gegliedert. Das Buch ist knapp aber gründlich in der Historie, umfangreich und erfüllend bei der praktischen Anwendung von Leichtlehm. Mineralische Leichtlehme werden nur kurz angeschnitten. Franz Volhard steht eben für die Kombination von Lehm mit den organischen, nachwachsenden Baustoffen Stroh und Holz. Schon historisch sind mit ihnen die konstruktiven Varianten unerschöpflich. Auch Egon Eiermann baute 1946 mit Innenwänden aus Lehmsteinen. Ästhetisch ist das Buch höchst geordnet. Sein Layout ist ruhig und übersichtlich. Inhalt und Form führen einen Dialog miteinander. Dabei ist es reich bebildert. Seine Bilder, Grafiken und Tabellen ergänzen mehr als tausend Worte. Dennoch ist es kein Bilderbuch wie so manches Architekturbuch mit keimfrei reduzierten Ikonen – großformatige Augenweiden auf denen nicht viel zu ernten ist, außer eine retinale Ordnung. Volhards Werk gibt die Realität einer handwerklichen Baustelle exakt wieder: wie eine Lehmschlämme mit fettem Lehm aussieht, die unterschiedlichen Mischmethoden und -orte oder wundervolle Objekte aus Leichtlehm knapp zusammengefasst. Er stellt Siedlung, Schule, Kirche, Kindergarten und vor allem Wohnbauten vor. Sie stammen aus allen Erdteilen und Klimazonen. Nicht nur hier zeigen sich seine guten Verbindungen zu anderen Kämpfern des ökologischen Bauens mit Lehm, etwa zum französischen Lehmbauzentrum CRAterre. Auch Kosten und Zeiten sind angeführt – etwa für einen Lehmputz oder für den Trockenbau.
Wichtige Neuerungen
Der Umfang wuchs von 200 auf 300 Seiten, von 282 Abbildungen auf 386. Ein neues Kapitel beschreibt Wände im freien Auftrag. Diese Technik setzte Volhard auch bei seinem jüngsten Neubauprojekt ein, einem Wohnhaus mit wärmespeichernder Lehmschale. Grundlagen wie Lehm und Lehmprüfung wurden erweitert, bspw. um neue Geräte. So wurden die Kapitel noch praxisnaher. Ergänzend zur neuen DIN18945 Lehmsteine merkt Volhard an, dass faserverstärkte Leichtlehmsteine eine höhere Festigkeit und bessere Feuchteresistenz aufweisen als rein mineralische.
Schwerpunkt Bauphysik
Einer der vielen Schwerpunkte des Buches ist die Bauphysik. Entgegen vieler aktueller Publikationen stellt Volhard die entfeuchtende Wirkung von Lehm und den Schutz der Konstruktion in den Vordergrund. Einmalig gründlich vergleicht er die Sorptionsfähigkeit von Lehm mit der anderer offenporiger, kapillaraktiver Baustoffe und relativiert einige kursierende Versprechungen zu der einmaligen Sorptionsfähigkeit von Lehmbaustoffen. Er weist auch darauf hin, dass feucht eingebauter Leichtlehm unter ungünstigen Umständen kompostieren kann. Deshalb warnt er deutlich vor zu ehrgeizigen U-Werten, zu dicken Wänden und der Verwendung von zu magerem Lehm. Um sehr magere Lehme zu differenzieren und z.B. die Bindemittelqualität eines Lehmputzes zu analysieren, schlägt er neu eine Prüfung der Feinkornbindekraft vor. Er bespricht Brandverhalten, Schallschutz und Dichtigkeit. Er zeigt die guten Eigenschaften bei Wärmedämpfung und -speicherung. Da die EnEV in Deutschland immer bessere Dämmwerte verlangt, ist Volhard nicht erst mit seinem jüngsten Projekt zu einer separaten Innendämmung übergegangen. Auch das Dach wird hier ausschließlich durch Zellulose gedämmt. Um zum Nachdenken anzuregen, stellt er auch alternative Lösungen vor, wie Dachdämmungen mit Leichtlehm.
Raumvielfalt
Volhard setzt alle seine Kenntnisse in Architektur um. Er ist Architekt und als, Lehmbauer der ersten Stunde vor allem ein Praktiker des Bauens. Im Buch zeigt er das mit seinen seit 1983 realisierten wohnlichen Leichtlehmprojekten im Neu- und Altbau. Zusammen mit seiner Partnerin Ute Schauer entwickelt er darin räumliche und baustoffliche Vielfalt weiter. Zuletzt baute er den Prototyp eines Wohnhauses mit einer wärmespeichernden Lehmschale. Es ist beispielhaft nachhaltig, zukunftsfähig und nicht zuletzt modern. Seine nüchterne Architektursprache ist durch eine warme, wohnliche Fassadenfarbe belebt. Die Sonnenwärme speichernde äußere Schale ist Ausdruck bauphysikalischer Erkenntnis: Nur eine immer wieder schnell trocknende Fassade bleibt eine schöne Fassade. Thermische Gestaltung ist ein hochbrisantes Thema, nicht zuletzt durch unsere momentane WDVS-Schwemme. Es ist dem Architekturbüro zu wünschen, dass seine Ideen auch in größeren Maßstäben realisiert werden.
Nüchterne Bestandsaufnahme
Wer schnell noch mehr zu dem Buch wissen möchte, sei auf die fundierte Rezension von Prof. Dr.-Ing. Jörg Schulze verwiesen. Sein Fazit: „Eine nüchterne Bestandsaufnahme des heutigen Wissens, die vor allem durch ihre Klarheit und Vollständigkeit überzeugt. … Eine bessere Darstellung ist auf dem deutschen Buchmarkt nicht zu finden.“ Schulzes Text reißt auch die Entwicklung des Lehmbaus und der Normen in Deutschland an. Ein Feld auf dem sich Franz Volhard ebenfalls sehr engagiert hat. Die Rezension ist auch auf der schönen und übersichtlichen Internetseite des Büros Schauer-Volhard zu finden. Sie wirbt zu Recht für das Buch, das ein Standardwerk der Lehmarchitektur ist, das nicht nur bei ökologischen Architekten, sondern auch bei Handwerkern und in Bibliotheken für Selbstbauer als fundamentales Nachschlagewerk im Regal stehen sollte.
Bauen mit Leichtlehm
Handbuch für das Bauen mit Holz und Lehm
7., neu bearbeitete und ergänzte Auflage
Springer Verlag Wien/New York 2013, 311 Seiten, 48,59 €